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Pechöl - Der Mühlviertler Heilsam

 

Der im nordöstlichen Mühlviertel gelegene Biohof Thauerböck wird als Familienbetrieb geführt. Eine Herzensangelegenheit der Hofbesitzer Mario und Monika Thauerböck ist die Erzeugung von Pechöl. Dieses Öl wurde einst als natürliches Heilmittel verwendet. Es war nahezu in jedem Mühlviertler Haushalt zu finden. Erzeugt wird das Pechöl auf traditionelle Art und Weise. Das Pechölbrennen im Mühlviertel wurde vor einigen Jahren sogar in das österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Am Thauerböck Hof ist diese besondere Handwerkskunst bis zum heutigen Tage erhalten geblieben. Mit Familie Thauerböck habe ich mich über die Pechölherstellung genauer unterhalten (Foto Pechsalbe: Familie Thauerböck).

 

Mario, wie bist du zu diesem besonderen Handwerk gekommen? Für Beiträge, die ich früher geschrieben habe, war ich immer auf der Suche nach alten Handwerkskünsten. So hat ein Gespräch mit einem alten Pecher dazu geführt, dass ich begann, diese Herstellweise bei ihm zu erlernen. Für mich als Schnapsbrenner ist diese weitere Form des Brennens eine ideale Ergänzung. Der Ablauf des Brennens ist zwar rasch verinnerlicht, allerdings erfordert es sehr viel Erfahrung um die Brenntechnik, Witterungseinflüsse und Auswirkung auf die Ölqualität sowie jede Menge Fingerspitzengefühl und vor allem Geduld. Das bekommt man nur durchs Tun. In unserer Region sind derzeit drei bis vier Pechölbrenner aktiv tätig. Die Neugierde für das Pechölbrennen ist aber gegeben, die Zahl an Interessenten wächst.

 

Seit wann gibt es das Pechölbrennen? Das Pechöl ist ein sehr altes Heilmittel und wurde etwa für Rheuma, Gicht oder Geschwüre eingesetzt. Früher wurde auf vielen Bauernhöfen Pechöl selbst gebrannt, es war in jedem Haushalt vorrätig. In schriftlicher Form ist dazu wenig überliefert. Einen ersten Nachweis gibt es von Adalbert Stifter (1805-1868). Der oberösterreichische Schriftsteller ging in seiner Novelle „Granit“ auf das Pechölbrennen ein.

 

Woraus stellt ihr euer Pech her? Wir verwenden dazu das Kiefernholz, das bei uns sehr häufig vorkommt. Grundsätzlich kann auch Lärche gebrannt werden. Verwendet wird ausschließlich das Holz jener Bäume, bei denen der Baum Verletzungen aufweist. Dies sind etwa Kiefern, bei denen der Blitz eingeschlagen hat, abgewipfelte Bäume oder Wurzelgehölze. Bei diesen Bäumen wissen wir, dass sie zur Heilung ihrer Wunden übermäßig Harz produzieren und daher sehr harzreich sind. Schimmerndes Holz und bräunliche Farben sind weitere Erkennungsmerkmale, die auf ein Kienholz, also ein harzreiches Holz, hinweisen. Wenn den Bauern aus meiner Umgebung bei der winterlichen Holzernte solch ein Holz unterkommt, bringen sie dieses Kienholz zu mir.

 

Wie sind dann die weiteren Arbeitsschritte? Von etwa 100 Festmetern Holz ist lediglich 1 Meter Holz mit Harz angereichert. Daher wird nie ein Baum auf Verdacht geschnitten, entnommen werden ausschließlich offensichtlich verletzte Bäume, die uns die Natur gibt.

 

Wir spalten das erhaltene Holz, sortieren aus und lagern die Holzstücke lichtgeschützt bis zum Sommer. Die Holzstücke müssen zur Weiterverarbeitung eine einheitliche Größe von 30cm Länge und 3 cm Durchmesser haben. Das Pechölbrennen selbst erfolgt bei Schönwetter um die Sommersonnenwende. Hier sind die Tage am längsten und die Umgebungstemperatur von 25°C wird am ehesten erreicht. Wäre der Stein, den es zum Pechölbrennen braucht, zu kalt, würde das Harz sofort erstarren.  

 

Worum handelt es sich beim Pechölstein? Bei uns ist dies ein großer speziell geformter Stein aus Mühlviertler Granit, der in unserer Gegend am häufigsten vorkommt. Diese Pechölsteine besitzen die Form des Lindenblattes oder eines Buchenblattes. Ich selbst brenne auf drei Steinen. Meinen ältesten Stein habe ich von meinem alten Pechbrenner und Lehrer bekommen. Diese Steine sind nach Süden Richtung Sonne ausgerichtet und müssen eine bestimmte Neigung von 15° oder 30° aufweisen, sodass das Pechöl ungehindert abrinnen kann.  

 

Wie läuft der eigentliche Brennprozess ab? Beim Brennen werde ich von meinem Vater unterstützt. Zuerst wird der Pechölstein gereinigt. Dann schichten wir das aufgespaltene Holz senkrecht auf. Dabei achte ich darauf, dass die Rinnen im Stein nicht verlegt werden. Auch darf es keine Lufteinschlüsse geben. Dann wird das aufgeschichtete Holz mit Reisig abgedeckt. Mit einer Grasnarbe, die mit dem Gras vorneweg auf das Reisig und rundherum gelegt wird, ist der Meiler zum Brennen bereit. Sobald das Holz schwelt, setze ich gezielt Löcher in den Brennmeiler, um dadurch die Luftzirkulation zu regulieren. Nun kommen die Temperatur oder der Windeinfluss dazu. Ich sitze dabei im Garten, beobachte, achte auf die richtige Rauchentwicklung. Nach etwa 2 bzw. 4 Stunden tritt das Pechöl erstmals heraus. Nun arbeiten wir so lange, bis der Pechölstrom versiegt. Dieser Herstellprozess vollzieht sich sehr langsam und braucht seine Zeit. Dabei sitze ich im Garten und genieße diese Phase des Beobachtens und bewussten Tuns sehr, gepaart mit meiner Familie, die mich dabei umgibt.

 

Was ist das Heikle an der Pechöl-Herstellweise? Die Witterungsbedingungen müssen exakt zusammenspielen, das heißt schönes Wetter über mehrere Tage, mindestens 25°C Lufttemperatur, ideale Windverhältnisse. Sind die Voraussetzungen gegeben, arbeiten wir mehrere Tage durch.

 

Wie lange dauert die Pechölgewinnung? Die reine Brennzeit am kleinen Stein dauert 15 Stunden, am größeren Stein sind es etwa 30 Stunden. Rechnen wir noch die Aufbauzeit und die Aufräumungsarbeiten dazu, braucht das Pechölbrennen etwa 40 Stunden.

 

Wie wird das Pechöl angewandt bzw. wie wendet ihr dieses an? Früher wurde das Pechöl auch „Der Heilsam“ genannt. Es wurde für jede Art von Beschwerde eingesetzt, so wurde dieses Öl für Mensch und Tier gleichermaßen aber auch für Riemen von Maschinen eingesetzt. Wir selbst wenden das Pechöl für uns innerlich bei rauem Hals und äußerlich an. Es ist fixer Bestandteil unserer Reiseapotheke. Wenn ich mir einen Holzsplitter eingezogen habe oder eines meiner Kinder von einer Erdwespe gestochen wurde oder Abschürfungen hat, ist das Pechöl gleich zur Stelle. Meine Frau verwendet die Pechschmiere, eine Mischung aus Pechöl und Lanolin, zur Fußpflege.

 

Wo gibt es euer Pechöl zu kaufen? Am besten ist der Direktkauf über unseren Onlineshop.

 

Lieber Mario, ich danke dir für unser Gespräch.

 

Webseite Mario und Monika Thauerböck: https://www.thauerboeck.com/shop/

 

 

Hier geht es zum Videobeitrag MDR-Mediathek „Sagenhaft – Der Bayrische und der Böhmerwalt“ von Familie  Thauerböck. Ab ca. Minute 75 bis 86 gibt es einen Einblick in die Kunst des Pechölbrennens.